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Der LfD zum Datenschutz bei der OWi-Verfolgung |
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Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg
Marienstraße 12
70178 Stuttgart
Durchwahl: (07 11) 61 55 41-20
Telefax: (07 11) 61 55 41-15
eMail: LfD-BaWue@t-online.de Stuttgart, den
15. Juli 1998
Auskunft gibt: Herr Groß
Aktenzeichen: L 7210
Sehr geehrter Herr Heier,
für Ihr Schreiben danke ich Ihnen. Zu Ihrer Ansicht, daß der Satz "Wenn Sie sich
nicht äußern wollen, kann das Foto mit Ihrem im Paß- oder Personalausweisregister
hinterlegten Foto verglichen werden" nicht im Einklang mit den datenschutzrechtlichen
Vorschriften steht, ist folgendes zu sagen:
Den Hinweis, an dem Sie Anstoß nehmen, geben die Bußgeldbehörden noch nicht lange.
Er wird immer dann ausgedruckt, wenn als Beweismittel ein Foto vorliegt, das die
Verkehrsordnungswidrigkeit beweist. Im wesentlichen handelt es sich also um die Fälle von
Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Rotlichtverstößen. Der auf eine
Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Umwelt und Verkehr zurückgehende Hinweis gibt
um die Antwort gleich vorwegzunehmen die Rechtslage zutreffend wieder und
ist durchaus sinnvoll. Der Abgleich von Beweisfoto mit dem im Paß- bzw.
Personalausweisregister hinterlegten Foto ist nämlich schon lange Praxis. Deshalb habe
ich das Thema im Tätigkeitsbericht für 1997 erneut aufgegriffen; einen Auszug habe ich
Ihnen beigefügt. In der Vergangenheit fragten mich nämlich immer wieder Bürger, ob und
unter welchen Voraussetzungen die Bußgeldbehörde oder die Polizei sich bei der
Meldebehörde nach dem Ehegatten oder den Kindern des Fahrzeughalters erkundigen und
anschließend Einblick in das Paß- bzw. Personalausweisregister nehmen darf, um den für
die Verkehrsordnungswidrigkeit Verantwortlichen zu ermitteln. Sie meinten, wenn sie als
Fahrzeughalter gegenüber der Bußgeldbehörde keine Angaben zur Sache machten und
insbesondere nicht den verantwortlichen Fahrer benennen würden, könne diese nicht
herausbekommen, wer gefahren ist. Durch den Angleich von Beweisfoto und Lichtbild des
Paß-bzw. Personalausweisregisters kam die Bußgeldbehörde aber dem verantwortlichen
Fahrer auf die Spur. Daß dieses Vorgehen rechtens ist, ergibt sich aus folgendem:
Zu Recht gehen Sie davon aus, daß die Bußgeldbehörde sich nicht ohne weiteres an die
Paß-/Personalausweisbehörde wenden darf, um einen Lichtbildvergleich durchzuführen,
denn dabei handelt es sich um einen Eingriff in das Recht auf informationelle
Selbst-bestimmung. Aus der Sicht des Datenschutzes geht es um zwei Punkte:
Erstens stellt sich die Frage, ob die Bußgeldbehörde eine Kopie des im
Paß-/Personalausweisregister hinterlegten Fotos von der betreffenden Gemeinde
"erheben", also anfordern darf. Zweitens geht es darum, ob die
Paß-/Personalausweisbehörde der Bußgeldbehörde die Fotokopie geben darf. Es ist aber
weder die Datenerhebung durch die Bußgeldbehörde noch die Datenweitergabe durch die
Paß-/Personalausweisbehörde datenschutzrechtlich zu beanstanden. Nach § 4 des
Landesdatenschutzgesetzes (LDSG) ist die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne
Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn das Landesdatenschutzgesetz oder eine andere
Rechtsvorschrift sie erlaubt. Bei der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit haben die
Bußgeldbehörden oder die Polizei zur Aufklärung des Sachverhalts, zu der bei einer
Geschwindigkeitsüberschreitung auch die Identifizierung der auf dem Radarfoto als Fahrer
abgebildeten Person gehört, grundsätzlich das Recht, bei Behörden Auskunft einzuholen
(§§ 46, 53 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten [OWiG] i.V. mit §§ 161, 163 der
Strafprozeß-ordnung [StPO]). Dabei sind allerdings durch Gesetz Grenzen gesetzt. Zwar
darf die Bußgeldbehörde grundsätzlich auch um Auskunft aus dem
Paß-/Personalausweisregister ersuchen. Dabei muß sie aber darauf achten, daß die
strengen Voraussetzungen des Paß- bzw. Personalausweisgesetzes vorliegen. Nach § 22 Abs.
2 des Paßgesetzes bzw. § 2b Abs. 2 des Personalausweisgesetzes darf die
Paß-/Personalausweisbehörde Daten aus ihrem Register, zu denen auch Paßbilder gehören,
an die Bußgeldbehörde oder Polizei unter der Voraussetzung weitergeben, daß diese
aufgrund einer Rechtsvorschrift grundsätzlich befugt ist, das Lichtbild einer Person zu
erhalten, sie ohne Kenntnis des Paßfotos nicht in der Lage wäre, ihre gesetzliche
Aufgabe zu erfüllen, und sie die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit
unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben könnte.
- Die erste Voraussetzung ist gegeben. Eine gesetzliche Ermächtigung findet sich in den
bereits genannten Vorschriften der § 46, 53 OWiG i.V. mit §§ 161, 163 StPO. Danach kann
die Verfolgungsbehörde auch die Lichtbilder eines Tatverdächtigen heranziehen.
- Nicht ganz so einfach ist die Frage nach der zweiten Voraussetzung zu beantworten,
nämlich ob die Bußgeldbehörde/Polizei auf das Paßfoto tatsächlich angewiesen ist.
Denn um die auf dem Radarfoto abgebildete Person zu identifizieren, hätte sie außer dem
Zugriff auf die Unterlagen der Paßbehörde grundsätzlich auch die Möglichkeit, die
verdächtige Person vorzuladen, sie selbst aufzusuchen oder das Beweisfoto anderen
Personen wie z.B. Nachbarn zur Identifizierung vorzulegen. Hier muß sie aber bei der Wahl
ihres Vorgehens den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. Daraus ergibt sich, daß
die Verfolgungsbehörde so schonend wie möglich versuchen muß zu klären, wer die
geblitzte Person ist. Zunächst einmal muß die Bußgeldbehörde in allen Fällen, in
denen nicht von vornherein klar ist, daß der Halter nicht der Fahrer ist (z.B. Halter
männlich, Fahrer weiblich; Firmenfahrzeug) den Fahrzeughalter anhören und ihm dadurch
Gelegenheit geben zu sagen, ob er oder wer sonst der Geblitzte ist. Macht der Halter dabei
von seinem Recht, nichts zur Sache zu sagen, Gebrauch, ist der Vergleich von Beweisfoto
und Paßfoto der geringste Eingriff. Die Vorladung des Halters macht nämlich deshalb
wenig Sinn, weil dieser der Vorladung nicht Folge leisten müßte und die Behörde davon
ausgehen kann, daß er, nachdem er bisher nicht klipp und klar angegeben hat, wer gefahren
ist, nicht bei der Bußgeldbehörde erscheinen wird. Diese könnte zwar das Erscheinen des
Halters auch durch einen Richter anordnen lassen (vgl. § 46 Abs. 5 OWiG), diese
Möglichkeit scheidet aber in der Praxis schon wegen der kurzen Verjährungsfrist von drei
Monaten bei Verkehrsordnungswidrigkeiten aus. Das Herumfragen in der Nachbarschaft wäre
für den Halter deswegen ein gravierenderer Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht, weil
dadurch auch noch unbeteiligten Dritten bekannt würde, daß mit dem Fahrzeug des Halters
eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen wurde. Einen anderen Aspekt des
verhältnismäßigen Vorgehens der Bußgeldbehörde hat der von Ihnen erwähnte Beschluß
des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 18. Juni 1997 (NJW 1997, S. 2964) aufgeworfen. Das
OLG Frankfurt hält den Lichtbildvergleich in der Tat ohne nähere Begründung für
unzulässig, "weil der Betroffene hätte zum Zwecke der Identifizierung ohne weiteres
durch einen Polizeibeamten aufgesucht werden können". Hierzu ist für das Land
Baden-Württemberg festzustellen, daß es grundsätzlich nicht (mehr) Aufgabe des
Polizeivollzugsdienstes ist, im Auftrag der Bußgeldbehörde Fahrerermittlungen
durchzuführen. Abgesehen davon ist das OLG Stuttgart in einem bisher nicht
veröffentlichten Beschluß vom 2. Jan. 1998, Az. 1 Ss 712/97, der Rechtsauffassung des
OLG Frankfurt ausdrücklich entgegengetreten und hat den Lichtbildabgleich für zulässig
erklärt.
Ich hoffe, daß ich Ihnen die Rechtslage verdeutlichen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Schneider
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INFOBOX |
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Autor:
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Quelle:
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Bildquelle:
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Erstellt:
18. Juli 1998 |
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