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Dürfen Privatfirmen Bußgeldakten bearbeiten? |
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(Erlaß des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg vom 16.12.1993, Aktenzeichen: 23-3859.1/126) Dem Verkehrsministerium ist bekannt geworden, daß in letzter Zeit private Unternehmer an die Bußgeldbehörden des Landes herantreten und diesen personelle und technische Hilfe bei der Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen, der Rotlichichtüberwachung sowie bei der Abwicklung von Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren anbieten. Hintergrund hierfür ist wohl, daß kommunale Verkehrsüberwachungsanlagen von der Polizei ab 01.03.1994 nicht mehr betrieben werden. Da die Angebote der privaten Firmen Leistungen umfassen, die aus rechtlichen Gründen nicht von Privaten wahrgenommen werden dürfen, wird im Einvernehmen mit dem Justiz- und Innenministerium auf folgendes hingewiesen: Das Recht zum Betreiben von Verkehrsüberwachungsanlagen durch die Bußgeldbehörden ergibt sich aus der Zuständigkeit für die Verfolgung von Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten (vgl. § 36 Abs. 1 OWiG, § 26 Abs. 1 StVG). Die Zuständigkeit zur Verfolgung umfaßt die selbständige und eigenverantwortliche Ermittlung von Verkehrsordnungswidrigkeiten. Hierzu gehört auch die Feststellung und Erforschung von Verkehrsverstößen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 01.06.1990 - 3 ss 265/90; Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, § 35, Randnummer 4). Durch den Einsatz von Überwachungsgeräten, die auf einen bestimmten Wert (z.B. die zulässige Höchstgeschwindigkeit) eingestellt werden, wird ganz gezielt rechtwidriges Handeln im Straßenverkehr registriert und dokumentiert und damit die Voraussetzung für eine anschließende Ahndung des festgestellten Verstoßes geschaffen. Eine so strukturierte Verkehrsüberwachung stellt daher bereits den Beginn von Verfolgungshandlungen dar. Der für den Eintritt in das Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderliche Anfangsverdacht liegt spätestens dann vor, wenn Tatsachen aufgezeichnet werden, die die Handlung als Ordnungswidrigkeit erkennen lassen und den Zugriff auf den Täter ermöglichen. Als Teil der Verfolgung ist der Betrieb von Verkehrsüberwachungsanlagen aber nur durch Hoheitsträger möglich und darf daher weder auf Private übertragen noch von diesen wahrgenommen werden. Hinzu kommt, daß bei den an die Bußgeldstellen herantretenden privaten Unternehmen nicht etwa Vermietung oder Dienstleistung im Vordergrund stehen. Es geht vielmehr um die Erstellung beweisgeeigneter Fotos und die Weitergabe dieser Beweismittel gegen Entgelt an die Verwaltung. Der Erwerb von Beweismitteln ist gesetzlich jedoch nicht vorgesehen. Beweismittel sind den Verfolgungsbehörden vielmehr grundsätzlich unentgeltlich zur Verfügung zu stelien und können sogar beschlagnahmt werden. Darüber hinaus ist es auch nicht zulässig, Private an der Abwicklung von Verfahrennach dem Ordnungswidrigkeitengesetz zu beteiligen. Die Verfolgungsbehörde hat vielmehr sämtliche Verfahrensschritte - dazu gehört insbesondere auch die Anlegung von Akten sowie die erforderliche Erfassung von Daten - selbst durchzuführen denn das Ordnungswidrigkeitenrecht ist seinem materiellen Gehalt nach Strafrecht und Strafprozeß. Es dient als Verfahrensrecht der Festlegung von Rechtsfolgen für begangenes Unrecht. Einziger Unterschied zu Straf- und Strafprozeßrecht ist der geringere Unrechtsgehalt. Es bleibt aber eine Form der Anwendung von Repressivgewalt gegen einen die bestehende Rechtsordnung mißachtenden Täter. Die darauf gerichtete Tätigkeit ist deshalb ihrem Wesen nach Strafverfolgung und gehört zum Kernbereich der Staatlichkeit. Eine Übertragung auch nur einzelner Arbeitsschritte eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens an Private verletzte daher das Rechtsstaatsprinzip. Im Unterschied hierzu hat eine Verfolgungsbehörde, die in eigener Regie Verkehrsüberwachungsgeräte betreiben möchte, allerdings jederzeit das Recht, diese Geräte bei Privaten anzumieten oder zu leasen. Darüber hinaus ist es auch zulässig, bei der Durchführung dieser Aufgaben auf private Dritte zur Durchführung einfacher technischer Hilfeleistung, wie etwa dem Aufstellen und dem Justieren eines Überwachungsgerätes, dem Wechseln und Entwickeln von Filmen, dem Fertigen von Fotoabzügen usw. zurückzugreifen, da solche Tätigkeiten nicht dem genannten Funktionsvorbehalt unterliegen. Eine weitergehende Inanspruchnahme Privater ist aber aus den genannten rechtlichen Gründen nicht zulässig. Die Regierungspräsidien werden gebeten, die Bußgeldstellen mit den beiliegenden Mehrfertigungen zu unterrichten. gez. Finkenbeiner
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INFOBOX |
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Autor:
Finkenbeiner |
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Quelle:
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Bildquelle:
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Erstellt:
5. April 2000 |
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