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Identifizierung des Betroffenen anhand eines Lichtbildes |
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In den vergangenen Jahren hatte sich zum Thema "Identifizierung des Betroffenen
anhand eines Lichtbildes" eine unterschiedliche OLG-Rechtsprechung entwickelt.
Gestritten wurde insbesondere darum, inwieweit die Entscheidungen des Tatrichters
zur Identitätsfeststellung für die Rechtsbeschwerdegerichte verbindlich
und welche Anforderungen an die Urteilsgründe zu stellen sind. Diese Frage
hat der BGH schließlich am 19.12.95 geklärt (BGHSt 41, 376 = NJW
96, 1420 = NZV 96, 157 = DAR 96, 178). Danach müssen die Urteilsgründe
so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das vom
Verkehrsverstoß gefertigte Foto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung
einer Person zu ermöglichen. Dafür stehen dem Richter zwei Wege zur
Verfügung, die in den Urteilsgründen unterschiedlich begründet
werden müssen. Sie als Verteidiger müssen daher sorgfältig prüfen,
welchen Weg das Tatgericht gewählt hat und ob die sich daraus ergebenden
Anforderungen erfüllt sind. Damit Sie nichts übersehen, haben wir
die erforderlichen Punkte nachfolgend zusammengefasst:
Kontroll-Liste "Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes"
Weg 1: Verweisung auf das Foto unter Bezugnahme
Der Amtsrichter hat zunächst die Möglichkeit, in den Urteilsgründen
gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG
auf das in der Akte befindliche Foto von dem Verkehrsverstoß Bezug zu
nehmen. Auf Grund dieser Bezugnahme wird das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe
(eingehend OLG Brandenburg DAR 98, 112; BayObLG DAR 98, 147; OLG Hamm NStZ-RR
98, 238 = VRS 95, 232). Das Rechtsbeschwerdegericht kann das Foto dann aus eigener
Anschauung würdigen und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob es
als Grundlage einer Identifizierung überhaupt tauglich ist (OLG Karlsruhe
DAR 95, 337).
Nimmt der Amtsrichter auf das in der Akte befindliche Foto Bezug, sind darüber
hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers
entbehrlich. Es reicht aus, wenn er im Urteil nur mitteilt, dass es sich bei
dem Foto um ein nach Aufnahmeort und -zeit näher bezeichnetes Radarfoto
handelt, das das Gesicht einer männlichen oder weiblichen Person zeigt.
Es ist weder eine Auflistung der charakteristischen Merkmale, auf die sich die
Überzeugung von der Identität mit dem Betroffenen stützt, erforderlich
noch brauchen diese Merkmale und das Maß der Übereinstimmung beschrieben
zu werden.
Das Foto muss allerdings wie z.B. ein (Front-)Radarfoto, das die einzelnen
Gesichtszüge erkennen lässt zur Identifizierung uneingeschränkt
geeignet sein. Ist das Foto, z.B. auf Grund schlechterer Bildqualität (z.B.
erhebliche Unschärfe) oder auf Grund seines Inhalts (z.B. das Gesicht des
Fahrers ist teilweise durch den Rückspiegel verdeckt) zur Identifizierung
nur eingeschränkt geeignet (dazu OLG Hamm NZV 96, 466 = DAR 96, 417 = VRS
91, 369), muss in den Urteilsgründen begründet werden, warum der Amtsrichter
gleichwohl den Fahrer identifizieren konnte (BGH BGHSt 41, 376). An diese Begründung
werden umso höhere Anforderungen gestellt, je schlechter die Fotoqualität
ist. Dann sind auch die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale,
die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, zu
benennen und zu beschreiben.
Der geminderte Begründungsaufwand gilt aber nur, wenn der Amtsrichter
in prozessordnungsgemäßer Weise auf das bei den Akten befindliche
Foto Bezug genommen hat (OLG Hamm NZV 96, 466 = DAR 96, 417 = VRS 91, 369).
Denn nur dann wird das Lichtbild Gegenstand der Urteilsurkunde und kann von
dem Rechtsbeschwerdegericht uneingeschränkt eingesehen werden. Für
die ordnungsgemäße Bezugnahme gilt: Verwiesen werden muss auf ein
von dem Verkehrsverstoß gefertigtes Foto (OLG Hamm NZV 96, 466 = DAR 96,
417 = VRS 91, 369).
Die Bezugnahme muss deutlich und zweifelsfrei sein, was der Amtsrichter auf
jeden Fall dadurch erreicht, dass er den Gesetzeswortlaut des § 267 Abs.
1 Satz 3 StPO verwendet (OLG Hamm NZV 98, 171 = VRS 94, 348). Ist nur ein Foto
in der Akte, muss nicht (auch) die Blattzahl genannt werden, wo sich dieses
Foto befindet (OLG Hamm, aaO).
Für eine ordnungsgemäße Bezugnahme muss erkennbar sein,
dass der Amtsrichter mit seinen Ausführungen das Lichtbild zum Gegenstand
der
Urteilsurkunde machen und nicht nur den Beweiserhebungsvorgang beschreiben
wollte (OLG Brandenburg, aaO; BayObLG, aaO; OLG Hamm, aaO; KG Berlin NZV
98, 123; OLG Dresden DAR 2000, 279). Nicht ausreichend ist daher z.B.
die häufig in amtsrichterlichen Urteilen anzutreffende Formulierung:
"Auf Grund des Vergleichs des Betroffenen mit dem vom Gericht in Augenschein
genommenen Foto, Bl. 6 d.A., stand zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei
fest, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs war" (OLG
Hamm VRS 93, 349 = StraFo 97, 115).
Wird nicht prozessordnungsgemäß Bezug genommen, gilt Weg
2.
Die BGH-Rechtsprechung hat das BayObLG fortgeführt. Nach einem Beschluss
vom 4.4.96 (2 Ob (OWi) 223/96, NZV 96, 330 = JR 97, 38, mit zust. Anm. Göhler,
JR 97, 39) kann der Tatrichter das Foto auch in Form einer Fotografie oder einer
Fotokopie in die Urteilsgründe selbst aufnehmen. Hierzu bedarf es keiner
Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO mehr. Auch müssen
die Urteilsgründe dann nicht mehr die Angabe enthalten, ob es sich um eine
männliche oder weibliche Person handelt, wenn das wie in den allermeisten
Fällen aus dem Foto erkennbar wird.
Weg 2: Keine Verweisung auf das Beweisfoto
Verweist der Tatrichter in den Urteilsgründen nicht auf das Beweisfoto,
ist nach der BGH-Rechtsprechung ein erhöhter Begründungsaufwand
erforderlich. Es genügt dann weder, dass der Tatrichter nur das Ergebnis
seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, dass er die von ihm zur
Identifizierung herangezogenen Merkmale der auf dem Foto abgebildeten
Person auflistet (BGHSt 41, 376; OLG Dresden, aaO). Vielmehr muss er dem
Rechtsmittelgericht, dem das Foto wegen der fehlenden Verweisung nicht
als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend
ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es
für eine Identifizierung geeignet ist. Im Einzelnen gilt:
Das Urteil muss Ausführungen zur Bildqualität enthalten (ständige
Rechtsprechung der Obergerichte, aus neuerer Zeit OLG Dresden, aaO). Insoweit
wird die Formulierung des Amtsrichters: "Auf dem Originallichtbild in DIN A-5-Vergrößerung
ist der Betroffene aber hinreichend klar zu identifizieren", als noch genügend
angesehen, um auf eine ausreichende Bildqualität des Lichtbildes des Betroffenen
zu schließen (OLG Hamm VA 3/2000, 31).
Der Amtsrichter muss die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale
so präzise beschreiben, dass in gleicher Weise wie bei Betrachtung des
Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird (OLG
Hamm NZV 97, 89; zuletzt OLG Dresden, aaO). Die Zahl der zu beschreibenden Merkmale
kann umso kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung
geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Dagegen muss
die Beschreibung umso mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine
Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind (zur
Darstellung der Identitätsmerkmale in den Gründen siehe u.a. OLG Karlsruhe
NStZ-RR 96, 17; OLG Celle NStZ 95, 243; OLG Dresden, aaO).
Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind
ebenfalls zu schildern (BGH BGHSt 41, 376).
Hat der Amtsrichter zur Identifizierung des Betroffenen ein anthropologisches
Sachverständigengutachten eingeholt, reicht es nicht aus, wenn er in den
Urteilsgründen nur das Ergebnis dieses Gutachtens mitteilt. Vielmehr müssen
auch die Anknüpfungstatsachen dargestellt und die das Gutachten tragende
fachliche Begründung mitgeteilt werden (OLG Hamm VA 3/2000, 32; OLG Dresden
DAR 2000, 279).
Praxishinweis
Wegen der erheblichen Auswirkungen für den Mandanten gegebenenfalls
droht ein Fahrverbot muss der Verteidiger in den Fällen der
Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes die Urteilsgründe
sorgfältig prüfen. Die folgende Checkliste fasst die erforderlichen
Prüfungsschritte auf einen Blick zusammen. Die vertiefende Prüfung
können Sie anhand der Kontroll-Liste auf Seite 33 durchführen.
Checkliste "Prüfungsschritte auf einen Blick"
1. Frage: Wird auf ein Beweisfoto verwiesen (= Weg 1)?
Falls Nein: dann Übergang zu Weg 2 (= 4. Frage).
Falls Ja: weiter mit der 2. Frage.
2. Frage: Wird prozessordnungsgemäß Bezug genommen?
Falls Nein: dann Übergang zu Weg 2 (= 4. Frage).
Falls Ja: weiter mit der 3. Frage.
3. Frage: Ist das Beweisfoto zur Identifizierung uneingeschränkt
geeignet?
Falls Ja: Das Urteil muss Angaben zu Aufnahmeort und -zeit des (Radar-)Fotos
sowie einen Hinweis darauf enthalten, ob es sich bei dem Fahrer um eine männliche
oder weibliche Person handelt.
Falls Nein: Der Amtsrichter muss erörtern, warum ihm die Identifizierung
anhand des Beweisfotos gleichwohl möglich ist.
4. Frage: Wird nicht/nicht ordnungsgemäß auf das Beweisfoto
verwiesen (= Weg 2)?
Falls Ja: Das Urteil muss Ausführungen zur Bildqualität und zu Identifizierungsmerkmalen
enthalten.
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INFOBOX |
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Autor:
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Quelle:
Verkehrsrecht Aktuell (VA) 2000, 33 |
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Bildquelle:
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Erstellt:
18. September 1997 |
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