Gericht: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
5. Senat Datum: 17. Januar 1997
Untersagung der Warnung vor Geschwindigkeitskontrollen
Leitsatz
Warnungen unbefugter Dritter vor verdeckten Geschwindigkeitskontrollen
beeinträchtigen die ordnungsgemäße Durchführung präventiv-polizeilicher
Aufgaben auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung und stellen eine
Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 8
Abs 1 Po1G NW dar.
Tatbestand
Der Antragsteller warnte seit Jahren durch Schilder mit
der Aufschrift "Radar" oder mit einem Hinweis auf die jeweilige
Geschwindigkeitsbegrenzung vor mobilen Radarkontrollen. Die zuständige
Polizeibehörde untersagte ihm durch Ordnungsverfügung weitere
Wamhinweise und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Antrag auf Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes blieb in beiden Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Begründung der Vollziehungsanordnung genügt
den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, wonach das besondere Interesse
an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist. Der Antragsgegner
hat sich nicht auf eine den Gesetzeswortlaut lediglich wiederholende oder
formelhafte Begründung beschränkt, sondern einzelfallbezogen
die Erforderlichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der
Störung präventiver polizeilicher Maßnahmen und der Gefährdung
der Verkehrssicherheit begründet. Daß sich die Gründe
des besonderen Vollzugsinteresses mit den Gründen für den Erlaß
der Ordnungsverfügung decken, begegnet nach allgemeiner Auffassung
keinen Bedenken, wenn der Sofortvollzug - wie hier - für notwendig
erachtet wurde, um Gefahren zu bekämpfen, die sich im Zeitraum bis
zum Abschluß des Rechtsschutzverfahrens verwirklichen können.
Vgl. OVGNW, Beschluß vom 17.11.1981 - 17B 1942/81 -NVwZ 1982,
455.
Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende
Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Betroffenen, von der
sofortigen Vollziehung bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens
verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einem Vollzug
der Festsetzungsverfügung fällt zu Lasten des Antragstellers
aus. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen
summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die angefochtene
Ordnungsverfügung als rechtmäßig.
Das VG hat zutreffend ausgeführt, daß die Unterlassungsverfügung
ihre Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 1 PolG NW findet. Nach dieser Vorschrift
kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen
Falle bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit
abzuwehren. Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist u.a. die Funktionsfähigkeit
der staatlichen Einrichtungen. Die Polizei ist dazu berufen, den ordnungsmäßigen
Betrieb der staatlichen Einrichtungen vor Störungen von außen
zu sichern, unabhängig davon, ob diese einen Straftatbestand oder
Bußgeldtatbestand erfüllen.
Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 233
f.; Denninger, in:
LiskenlDenninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, E Rdnr. 12 (S. 109).
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist daher unerheblich,
ob Warnungen vor Verkehrs-kontrollen von der Rechtsprechung als strafbare
oder bußgeldbewehi-te Handlungen beurteilt werden. Die zahlreichen
Aktionen des Antragstellers mit dem Ziel, Autofahrer vor Radarkontrollen
zu warnen, beeinträchtigen die ordnungsgemäße Durchführung
präventiv-polizeilicher Aufgaben auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung
und stellen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit
dar.
Vgl. dazu auch OVG NW, Urteil vom 25.8.1987 - 9 A 2118/86 -.
Die Auffassung des Antragstellers, seine Warnungen förderten
die Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit und liefen
der Aufgabenerfüllung polizeilicher Verkehrs-überwachung nicht
zuwider, verkennt die Zielsetzung von verdeckten Geschwindigkeitskontrollen.
Nicht angekündigte, verdeckt durchgeführte Geschwindigkeitsmessungen
sind nicht dazu bestimmt, die Einhaltung der Verkehrsvorschriften während
der Dauer der Messungen auf der Überwachungsstrecke sicherzustellen;
sie sollen vielmehr der Feststellung und künftigen Abschreckung derjenigen
Kraftfahrer dienen, die Geschwindigkeitsbeschräni(ungen nicht hinreichend
beachten, wenn sie sich unkontrolliert glauben, und auf diese Weise über
den örtlichen und zeitlichen Bereich der Kontrolle hinauswirken.
Vgl. BayObLG, Urteil vom 26.6.1963 - RReg. 1 St 144/63 - NJW 1963,
1884, 1885.
Die jederzeitige Möglichkeit von verdeckten Geschwindigkeitskontrollen
und etwaigen Sanktionen soll Kraftfahrer anhalten, sich nicht nur an ihnen
bekannten Kontrollpunkten, sondern überall und jederzeit an die vorgeschriebenen
Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Diese Wirkung verdeckter Geschwindigkeitsmessungen
wird beeinträchtigt, wenn auf sie hingewiesen und vor ihnen gewarnt
wird.
Dem steht nicht entgegen, daß die zuständigen
Behörden teilweise durch Schilder oder über Rundfunk auf Radarkontrollen
hinweisen, um gezielt bestimmte Unfallschwerpunkte zu bekämpfen oder
allgemein die Existenz mobiler Radarkontrollen in Erinnerung zu rufen.
Derartige Hinweise ersetzen nicht, sondern ergänzen verdeckte Geschwindigkeitsmessungen.
Welche Zielsetzung oder Kombination von Zielsetzungen die zuständigen
Behörden jeweils verfolgen und welche Art der Verkehrsüberwachung
sie dementsprechend im Einzelfall anwenden, steht in ihrem Ermessen und
unterliegt nicht der Dispositionsbefugnis des Antragstellers. Der Antragsteller
ist nicht befugt, die mit einer verdeckten Geschwindigkeitskontrolle beabsichtigte
Wirkung dadurch zu unterlaufen, daß er vor ihr warnt. Insoweit ist
auch unerheblich, in welcher Weise er auf die Geschwindigkeitsmessungen
aufmerksam macht. Nicht nur Schilder mit der Aufschrift "Radar",
sondern auch besondere Hinweise auf die jeweilige Geschwindigkeitsbeschränkung
im Bereich von Radarmessungen werden von den Autofahrern regelmäßig
als Warnung vor einer Radarkontrolle verstanden.
Auch die weitere Abwägung des öffentlichen Interesses
an einer sofortigen Vollziehung der Verfügung des Antragsgegners
gegenüber dem Interesse des Antragstellers, der an ihn gerichteten
Anordnung bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache
nicht nachkommen zu müssen, fällt zu Ungunsten des Antragstellers
aus. Diesem ist zuzumuten, bis auf weiteres auf Warnungen vor Geschwindigkeitskontrollen
zu verzichten, weil ein hinreichend gewichtiges privates Interesse insoweit
nicht tangiert wird. Demgegenüber überwiegt das öffentliche
Interesse an einer ordnungsgemäßen Verkehrsüberwachung
und der Sicherheit des Straßenverkehrs.
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