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Luftreinhalteplan Stuttgart und dessen Folgen für das Tempolimit |
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7.3.2.2 Sonstige Geschwindigkeitsbeschränkungen
Durch die Geschwindigkeit sind die Emissionen des Kraftfahrzeugverkehrs beeinflußbar [...]
Im Rahmen des Verkehrsgutachtens zum Luftreinhalteplan für die Stadt Stuttgart wurden mehrere Maßnahmenkonzepte zur Senkung der Verkehrsemissionen (insbesondere NOx-Emissionen) untersucht /GU 88/. Unter den verschiedenen Maßnahmenkonzepten nehmen die von den Gutachtern vorgeschlagenen, teilweise situationsabhängigen Geschwindigkeitsbeschränkungen einen zentralen Stellenwert ein, da hierdurch relativ kurzfristig und im Rahmen der Verhältnismäßiakeit Emissionsminderungen erzielt werden können.
Um Voraussetzungen und Annahmen der Maßnahmenvorschläge zu überprüfen, hat die Stadt Stuttgart 1989 versuchsweise auf der B 10-Süd von der Markungsrenze bei Hedelfingen bis Berger Steg (Länge ca. 6,5 km) eine zunächst starre Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h eingeführt.
Für die Versuchsstrecke auf der B 10 wurde der Befolgungsgrad einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h, der Einfluß dieser
Geschwindigkeitsbeschränkung auf die Harmonsierung des Verkehrsablaufs sowie das Auftreten mödicher Verkehrsverlagerungen als (unerwünschte) Folgewirkung untersucht.
Im Ergebnis haben die Gutachter generell einen hohen Befolgungsgrad
festgestellt. Die mittlere Geschwindigkeit sank über die gesamte Meßstrecke hinweg stadteinwärts vom Geschwindigkeitsniveau von 90 km/h
auf 60 km/h (rechter Fahrstreifen) bzw. von 130 km/h auf ca. 80 km/h (linker Fahrstreifen). Die Tatsache, daß diese Befolgung mit und ohne polizeiliche Überwachung fast gleich war, zeigt daß die Fahrer bereit sind, einen
Beitrag zur Verbesserung der Umwelt zu leisten, zumal der Hinweis auf den
Schildern die Situation eindeutig aufzeigt. Hier kann man insgesamt von
Akzeptanz sprechen. Stadtauswärts war ein vergleichbarer Rückgang der
mittleren Geschwindigkeit festzustellen; allerdings war hier der Einfluß der
Überwachung deutlich, da die mittlere Geschwindigkeit von ca. 100 km/h
(über beide Fahrstreifen hinweg) auf ca. 65 km/h mit Überwachung und auf
ca. 75 km/h ohne Überwachung sank.
Bezüglich etwaiger Verkehrsverlagerungen war zunächst ein genereller
Rückgang der Verkehrsbelastung der B 10 um ca. 5-10% festzustellen.
Inwieweit sich dieser Verkehr in die benachbarten Paralleistrecken verlagerte, war durch die Erhebungen nicht eindeutig zu beantworten. Tendenziell schienen sich Teile dieses Verkehrs in Stadtauswärtsrichtung eher auf die rechte Neckarseite (Augsburger Straße) und weniger in die Gebiete auf der linken Neckarseite (Hedelfingen, Wangen) verlagert zu haben. Die festgestellten Verkehrszunahmen lagen allerdings unter den Verkehrsabnahmen auf der B 10, so daß auch großräumige Verlagerungseffekte nicht
ausgeschlossen werden konnten. Die nicht vernachlässigbare Verlagerung zeigte jedoch eindeutig, daß die Bündelungswirkung der B 10 durch ein starres Tempolimit abnimmt.
Die Gutachter sprachen aufgrund der Feststellungen u.a. folgende Empfehlungen aus:
"Zur Vermeidung negativer Auswirkungen sowie zur Aufrechterha1tung der
hohen Akzeptanz sollten Geschwindigkeitsbegrenzungen möglichst schnell realisiert werden, bei denen in Abhängigkeit von der (prognostizierten) Immissionskonzentration, von der Verkehrsstärke sowie von negativen Einfiüissen, die die Sicherheit beeinträchtigen (Nässe, Glatteis, Nebel), Geschwindigkeiten variabel vorgegeben werden können."
"Bei (prognostisch) hohen Immissionskonzentrationen (Inversionswetterlagen) sollten die Geschwindigkeitsbegrenzungen für PKW und LKW (Tempo 60) beibehalten werden. Die Einschalthäufigkeit sollte sich nach dem Vorsorgeprinzip richten. Damit wird die Anzahl der Tage mit einer Beschränkung auf 60 km/h für PKW etwas höher ausfallen, als es zur Vermeidung von Spitzenimmissionskonzentrationen erforderlich ist, ohne daß
dabei jedoch negative Auswirkungen auftreten werden."
"In der Übergangsphase sollte an Tagen, an denen die Luftsituation keine
aktuellen Maßnahmen erfordert, die Bündelungsfunktion der B 10 verbessert werden, wobei Verlagerungen weitgehend ausgeschlossen werden müssen. Dies kann durch Anheben der Geschwindigkeitsbegrenzung für PKW auf 80 km/h erreicht werden. Die Emissionen werden durch diese Anhebung insgesamt nicht wesentlich vergrößert. Durch die situationsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung bleibt dabei das Hauptziel der
Luftreinhaltung - die Vermeidung von Immissionsspitzen - erhalten. Für
LKW sollte wegen des zunehmenden Anteils ihrer NOx-Emissionen die
Begrenzung auf 60 km/h beibehalten werden. Das gespaltene Tempolimit
verringert zwar die Homogenität des Verkehrsstroms, kann jedoch toleriert
werden, zumal auch bei Tempo 100 und bei Richtgeschwindigkeit
bekanntlich ein gespaltenes Tempolimit besteht, im letzteren Fall mit sogar
höheren Geschwindigkeitsdifferenzen."
Seit 1985 durchgeführte Maßnahmen
Nach Beendigung des Versuchs auf der B 10 Stuttgart-Uferstraße bis
Stuttgart-Hedelfingen (Hedelfinger Brücke) Ende 1989 wurde unter
Berücksichtigung der Empfehlungen der Gutachter die zulässige Höchstgeschwindigkeit für LKW auf 60 km/h (früher 80 km/h) und für PKw auf 80 km/h (früher 100 km/h) begrenzt. Die mögliche Emissionsminderung wurde von den Gutachtern in einer ersten Abschätzung mit 237 t/a angegeben (das sind rund 2% der Stickoxidemissionen des Verkehrs in Stuttgart).
Außerdem wurde als Vorstufe einer automatisierten situationsbedingten
Geschwindigkeitsbegrenzung auf der B 10 Wechselverkehrszeichen
installiert, die bei Gefahr einer Überschreitung von Immissionswerten im
Bereich der Vorsorge und in Abhängigkeit von der Wetterlage 60 km/h als
Höchstgeschwindigkeit auch für PKW vorgeben können. Die Steuerung
erfolgt zunächst versuchsweise durch ein einfaches Modell:
-
Maßgebliches Entscheidungskriterium ist der 24-Stunden-Mittelwert
der NO2-Konzentration, der sich - gleitend - auf der Basis der
1/2-Stunden-Mittelwerte ergibt. Als Auslösewert ist eine NO2-Konzentration von 100 µg/m3 festgelegt.
- Erreicht oder überschreitet an einer der vier Meßstationen von Stuttgart der für 9.00 Uhr ermittelte 24-Stunden-Mittelwert den Auslösewert,
dann gibt die Meßnetzzentrale des Luftmeßnetzes eine entsprechende
Meldung mit dem Hinweis, daß die Wechselverkehrszeichen auf
60 km/h einzustellen sind. Die Wechselverkehrszeichen werden
anschließend vom zuständigen Straßenbauamt umgestellt.
- Die Meßnetzzentrale berücksichtigt die Wetterverhältnisse.
Weiterhin geplante Maßnahmen
M 25 Geschwindigkeitsbeschränkung für LKW
Zum Schutz der Bevölkerung vor Abgasen (und Lärm) wird die zulässige
Höchstgeschwindigkeit für LKW im Stadtgebiet Stuttgart auf maximal
60 km/h begrenzt. Die Maßnahme gilt auch für die autobahnähnlichen
wichtigsten Hauptverkehrsstraßen sowie für alle anderen Hauptverkehrsstraßen in Stuttgart. Bereits bestehende niedrigere Geschwindigkeitsbeschränkungen bleiben hiervon unberührt.
Das Emissionsminderungspotential durch die Maßnahme kann auf ca. 4
bis 5% geschätzt werden. So liegt beispielsweise der Rückgang der NOx-Emission bei einer Geschwindigkeitsabsenkung von 80 auf 60 km/h bei
LKW in der Größenordnung von ca. 2,5 bis 3 g/km Fahrstrecke. Dieser
Rückgang entspricht etwa der NOx-Emission eines PKW ohne Katalysator
bei einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h.
M 26 Situationsabhängige Geschwindigkeitsbeschränkung
Automatisierte Verkehrsbeeinflussungssysteme, die in Abhängigkeit von
der Schadstoffimmission, der Verkehrsmenge und von verkehrsrelevanten klimatischen Fakt9ren die zulässige Geschwindigkeit situationsbedingt beschränken, sollen sobald wie möglich einen wesentlichen Beitrag auch zur Minderung der Umweltbelastung leisten.
Vorgesehen hierfür sind folgende Straßen:
- B 27 zwischen Stuttgart-Degerloch und Aichtal
- A 81/A 831 zwischen Herrenberg und Stuttgart-Vaihingen
- B 312 (neu) zwischen Stuttgart und Waiblingen
- B 10 zwischen Stuttgart und Plochingen
- B 10 zwischen Stuttgart (Friedrichswahl) und Autobahnanschluß Zuffenhausen
- B 14/L 1180 zwischen Stuttgart-Vaihingen und Schillerhöhe
Bei den unter den Nummern 1-3 genannten Straßen ist der konkrete Ausbau von Verkehrsbeeinflussungssystemen, die den Aspekten der Luftreinhaltung Rechnung tragen, in Vorbereitung.
Im übrigen ist der notwendige Beitrag zur Emissionsminderung durch folgende Übergangslösung zu gewährleisten:
a) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit für PKW wird auf der B 10 zum Teil
auf 80 km/h begrenzt:
- B 10 Stuttgart/Uferstraße Richtung Plochingen bis Stuttgart-Hedelfingen (Hedelfinger Brücke) (seit Ende 1989 bereits umgesetzt)
- B 10 Stuttgart-Friedrichswahl und Knoten B 10/B 27 an der Stahlhochbrücke in Zuffenhausen
b) Als Vorstufe zur situationsbedingten Geschwindigkeitsbeschränkung
werden auf den oben beschriebenen Hauptverkehrsstraßen mit den Nummern 4-6 - soweit auf Stuttgarter Gemarkung - Wechselverkehrszeichen installiert, die bei erhöhten Schadstoffkonzentrationen in der Luft und in Abhängigkeit von der Wetterlage 60 km/h als Höchstgeschwindigkeit auch für PKW vorgeben können.
M 27 Vereinheitlichte Tempolimits
Die Landeshaupstadt Stuttgart wird bei allen Straßen Stuttgarts, auf denen
derzeit schneller als 50 km/h gefahren werden darf und die nicht unter der
Maßnahme M 26 genannt sind, festlegen, ob zur umweltgerechten und
sicheren Verkehrsabwicklung auf den einzelnen Straßen vereinheitlichte
Tempolimits notwendig oder zweckmäßig sind.
Die Stadt Stuttgart hat eine Überprüfung von in Frage kommenden Straßenzügen vorgenommen und eine Liste von Straßenabschnitten vorgelegt. Die notwendigen Verfahren werden von der Landeshauptstadt unverzüglich eingeleitet.
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INFOBOX |
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Autor:
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Quelle:
4. Februar 1999 |
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Bildquelle:
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