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Fahrtenbuch beim ersten Verkehrsverstoß? |
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Das kann passieren. Auch die erstmalige Begehung eines Verkehrsverstoßes,
der mit wenigstens einem Punkt in Flensburg bedroht ist, stellt eine ausreichende
Grundlage für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage dar. So sieht es das
OVG Münster (8 A 699/97 - DAR 1999, 375)
Der Verkehrssünder hatte innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit
um 23 km/h überschritten, konnte später jedoch nicht ermittelt werden.
Wegen dieser Ordnungswidrigkeit, für die es in Flensburg einen Punkt gibt,
hält das OVG Münster die Anordnung eines Fahrtenbuchs für die
Dauer von sechs Monaten für gerechtfertigt - und dies schon beim ersten
Verstoß.
Diese Auffassung der Rechtsprechung folgt aus der zur Fahrtenbuchauflage ergangenen
Grundsatzentscheidung des BverwG aus dem Jahr 1995. Mit der Fahrtenbuchauflage
soll dafür Sorge getragen werden, daß zukünftig die Feststellung
des Fahrers nach einer Zuwiderhandlung ohne Schwierigkeiten möglich ist
(BverwG 11 C 12/94, DAR 1995, 458).
So weit so gut. Gäbe es da nicht den vielzitierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
So darf das Führen eines Fahrtenbuches nur dann angeordnet werden, wenn
es sich bei der nicht "aufklärbaren" Ordnungswidrigkeit um einen
Verkehrsverstoß von "einigem Gewicht" handelt. Was immer das
nach höchstrichterlicher, im damaligen Urteil aber unbestimmter Meinung
sein soll (BverwG DAR 1995, 458). Wird jedoch nur ein Verkehrsverstoß
begangen, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann, noch Rückschlüsse
auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt,
ist die Fahrtenbuchauflage unzulässig (BverwG a.a.O.).
Entschließt man sich richterlich dazu, einen Verkehrsverstoß erst
einmal als "von einigem Gewicht" einzustufen, so hat man eine "ausreichende
Grundlage" die Fahrtenbuchauflage für sechs Monate anzuordnen. "Ohne
daß eine Feststellung der näheren Umstände der Ordnungswidrigkeit
geboten wäre", so im Ergebnis das OVG Münster (DAR 1999,375)
In der Praxis muß das Gericht dann also nicht mehr prüfen, ob im
jeweiligen Fall eine konkrete Gefährdung durch den unbekannten Verkehrssünder
vorgelegen hatte. Wenn man diesen Gedanken richtig zu Ende denkt, bedeutet die
Maßnahme, daß in Zukunft bei jeder, mit mindestens einem Punkt in
Flensburg bedrohten Ordnungswidrigkeit und Nichtfeststellbarkeit des Fahrers
ein Fahrtenbuch droht. Hier ist das OVG meiner Ansicht nach einen Schritt zu
weit gegangen, wenn es darlegt, daß dies aus dem "Rechtsnormcharakter
des Punktesystems" folge.
Gemeint ist damit folgendes: Früher handelte es sich bei dem Punktesystem
um eine Verwaltungsvorschrift, die für Gerichte deshalb keine unbedingte
Bindung mit sich brachte. Die Gerichte konnten trotzdem im Einzelfall abwägen,
ob der Verkehrsverstoß trotz drohender ein oder zwei Punkte "von
einigem Gewicht" war. Mit der Neuregelung der Fahrerlaubnis-Verordnung
zum 1.1.1999 ist das Punktesystem zu einer gesetzlichen Regelung geworden, was
bei der Frage einer Fahrtenbuchauflage zu berücksichtigen sei. Wenn nun
schematisch und zwingend bestimmte Verkehrsverstöße mit einem Punkt
oder mehr bewertet sind, handelt es sich somit auch automatisch um Verstöße
mit "einigem Gewicht", so daß es einer Einzelfallprüfung
nicht mehr bedarf.
Es bleibt abzuwarten, ob auch andere Obergerichte diese Auslegung des OVG Münster
teilen. Meiner Ansicht nach war dies nicht die Vorstellung des Gesetzgebers
bei Schaffung der Fahrerlaubnis-Verordnung. Es erscheint nicht sinnvoll, bei
jedem Verstoß, der mit Punkten in Flensburg bedroht ist, eine Fahrtenbuchauflage
auszusprechen, wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann. Dies würde
praktisch bedeuten, daß man von "Fahrerverantwortlichkeit" abrückt
in Richtung auf eine grundsätzliche Verantwortung des Halters. Dies ist
aber bestimmt nicht von der Fahrerlaubnis-Verordnung gedeckt.
Vorsicht ist aber für Fuhrparks geboten. Die Auffassung des OVG Münster
kann buchstäblich teuer werden.
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INFOBOX |
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Autor:
Dr. Michael Ludovisy |
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Quelle:
Trucker 10/99 |
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Bildquelle:
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Erstellt:
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