Rechtsprechung des Amtsgerichts Cham - Zweigstelle Kötzting -
in Zivilsachen
"Abgeblitzt" -
Erfolglose Schadensersatzklage des Käufers einer "Anti-Blitz-Folie"
- Beiderseits sittenwidriges Geschäft
Kurzfassung
Gründlich daneben ging der Versuch eines Geschäftsmanns, sich
mit Hilfe einer "Antiblitz-Folie" gegen Radarkontrollen zu wappnen.
Zunächst gelang es der Polizei, das scheinbar unleserliche Kfz.-Kennzeichen
auf dem Radarfoto doch noch zu entziffern. Danach handelte sich der PKW-Besitzer
einen Strafbefehl über fast 6.000 DM wegen Kennzeichenmißbrauchs
ein. Und schließlich erlitt er auch noch mit einer zivilrechtlichen
Klage Schiffbruch: Das Amtsgericht Cham - Zweigstelle Kötzting -
wies seine Schadensersatzforderungen gegen den Folien-Vertreiber als unbegründet
zurück.
Nach Auffassung des Gerichts sind der Erwerb und die Verwendung solcher
Anti-Radar-Folien in der Regel sittenwidrig. Die Folie habe einzig und
allein den Zweck, die Identifizierung des Fahrzeugs zu erschweren. Indem
sie den Autofahrer in der scheinbaren Sicherheit wiege, bei Radarkontrollen
nicht ertappt zu werden, verleite sie ihn zu verkehrswidrigem Verhalten.
Letztlich begünstige sie also Verkehrsverstöße von Kraftfahrern
und gefährde die Verkehrssicherheit. Ein Kaufvertrag mit einer solchen
verwerflichen Zielrichtung sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten
nichtig. Der Kläger könne daher keinerlei Rechte aus dem Vertrag
herleiten.
"Unsichtbar"
Der Kläger, ein erfolgreicher Kaufmann, war aus beruflichen Gründen
viel mit seinem Auto unterwegs. Offenbar war er ein flotter Fahrer und
hatte es oft besonders eilig. Jedenfalls mußte er in der Vergangenheit
bereits - wie er es ausdrückte - "Erfahrungen mit Geschwindigkeitskontrollen
auf der Autobahn machen". Da kam ihm der Hinweis eines Freundes auf
ein Zeitungsinserat gerade recht. In der Anzeige pries der Beklagte eine
schon seit Jahren "bewährte" Reflexfolie an, die das Kennzeichen
"bei Fotoblitz absolut unsichtbar" mache.
Rechtsauskunft
Ängstliche Gemüter beruhigte die Montageanleitung mit dem (irreführenden)
Hinweis, das Überkleben des Kennzeichens mit der Folie gelte nicht
als strafbare Urkundenfälschung. Freilich habe die Geschichte einen
kleinen Haken: Das Überdecken der Kennzeichen-Buchstaben stelle eine
Ordnungswidrigkeit dar, die mit 20 DM Verwarnungsgeld belegt werden könne.
"Also entscheiden Sie selbst !", heißt es schließlich
in der Anleitung, bei deren Lektüre sich der Leser das Augenzwinkern
des Verfassers lebhaft vorstellen kann.
35 Tarnfolien
Von der Aussicht, lästige Verkehrsbeschränkungen in Zukunft
etwas lockerer nehmen zu können, war der Geschäftsmann so begeistert,
daß er gleich 35 Folien auf einmal bestellte. Von den Tarnzeichen
sollten auch andere Fahrzeuge seines Fuhrparks profitieren.
Enttarnung
Ein halbes Jahr später wurde der Kaufmann auf der Autobahn geblitzt.
Bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h hatte er einen viel zu geringen
Sicherheitsabstand eingehalten, nämlich statt 65 m (= halber Tachowert)
nur 17 m. Beim Auswerten des Filmes war vom amtlichen Kennzeichen zunächst
nur der Anfangsbuchstabe erkennbar. Mit Hilfe spezieller Untersuchungsmethoden
gelang es jedoch der Polizei, auch den Rest des Kennzeichens sichtbar
zu machen.
Kosten
Sein untauglicher Versuch, dem Auge des Gesetzes zu entwischen, kam den
Geschäftsmann teuer zu stehen.
Zum einen handelte er sich eine saftige Geldstrafe ein. Zwar nicht wegen
"Urkundenfälschung" (insofern hatte das Inserat recht),
jedoch wegen "Kennzeichenmißbrauchs" verurteilte ihn das
Amtsgericht Neumarkt i.d.Opf. zu einer Geldstrafe von knapp 6.000 DM (Az.
Cs 706 Js 73539/95; rechtskräftig; vgl. untenstehenden Nachtrag).
Für die Anwaltskosten im Strafverfahren kam zwar überwiegend
die Rechtsschutzversicherung auf. Immerhin mußte aber der Beschuldigte
noch 600 DM Selbstbeteiligung aus eigener Tasche berappen.
Außerdem war dem Geschäftsmann inzwischen klar geworden, daß
die Tarnwirkung der Folie wohl doch nicht so "phänomenal"
war, wie es die Werbung verhieß. Der Kaufpreis von 570 DM (35 Stück
zu je 16 DM) hatte sich vielmehr als Fehlinvestition entpuppt.
Klage
Wegen seiner finanziellen Einbußen wollte sich der enttäuschte
Kaufmann am Vertreiber der Folie schadlos halten. Mit der Begründung,
der Händler habe ihm eine falsche Rechtslage vorgespiegelt, verklagte
er ihn auf Rückerstattung des Kaufpreises sowie auf Ersatz des weiteren
Schadens einschließlich der Geldstrafe.
Abweisung
Das Amtsgericht Cham - Zweigstelle Kötzting - ließ den Geschäftsmann
mit seinen Forderungen "abblitzen".
Aus dem Kaufvertrag könne der Kläger schon deshalb keine Rechte
herleiten, weil der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. Der Käufer
habe ausschließlich das Ziel verfolgt, sich ohne großes Risiko
über Geschwindigkeitsbeschränkungen und damit über geltendes
Recht hinwegsetzen zu können. Im praktischen Ergebnis habe der Kauf
somit der Vorbereitung oder Förderung rechtswidriger Handlungen gedient.
Auf die Rechtsauskunft des Händlers, die Verwendung der Folie sei
nicht strafbar, sondern nur ordnungswidrig, habe sich der Kläger
nicht verlassen dürfen. Schließlich habe er ganz genau gewußt,
daß die Manipulation jedenfalls unerlaubt und rechtswidrig war.
Auch sei er sich darüber im klaren gewesen, daß er mit dem
Kauf und dem Anbringen der Folie ein Risiko einging. Für die Rechtsordnung
bestehe kein Anlaß, ihm dieses Risiko abzunehmen.
(Urteil des Amtsgerichts Cham - Zweigstelle Kötzting - vom 4.11.1996,
Az. 7 C 194/96; rechtskräftig)
Nachtrag vom 28.10.1999:
Inzwischen bestätigte der Bundesgerichtshof in einer anderen (Straf-)Sache,
dass das Verwenden einer Anti-Blitz-Folie strafrechtlich als Kennzeichenmiissbrauch
zu werten sei (Az. 4 StR 71/99).
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