Wiederum ein irriges Schnellfahrturteil. Der Gendarm H. hatte den Herrenfahrer Prof.
O. zur Anzeige gebracht, weil dieser in Wannsee bei Berlin auf der Königstraße die 400m lange Strecke vom Forsthause bis zum Restaurant Hönow mit einer Stundengeschwindigkeit von 36 km gefahren haben soll. In
der Verhandlung machte der Angeklagte geltend, daß er bedaure, als Angeklagter nicht zum Eid zugelassen werden zu können, da er mit voller Überzeugung beschwören könne, daß er sein Tachometer nicht einen Augenblick unbeobachtet gelassen hätte. Er habe eine Geschwindigkeit von 25 km innegehalten und habe jedesmal, wenn der Zeiger die Neigung hatte, auf 26 km zu geben, sofort bis auf 18 km und darunter abgedrosselt. Der Vorsitzende hielt ihm vor, daß er ja damit zugebe, über 25 km gefahren zu sein, so daß
es gar nicht nötig sei, darauf einzugehen, ob die 400m Strecke mit 36 km Geschwindigkeit gefahren sei oder
nicht. Trotzdem wurde der Gendarm H. vernommen, der natürlich seine Anzeige beschwor.
Die Ausführung des Verteidigers lautete darauf hin, daß eine Geschwindigkeit von 25 km erlaubt sei. Man könne dem Angeklagten bei seiner sozialen Stellung wohl glauben, daß er den Geschwindigkeitsmesser im Auge behalten und die Geschwindigkeit nicht überschritten habe.
Jeder, der schon am Steuer eines Autos gesessen, wisse genau, daß sich eine mathematisch gleichbleibende Geschwindigkeit nicht
halten lasse. Der Angeklagte habe seine Pflicht voll erfüllt, wenn er, mit der erlaubten 25
km Geschwindigkeit fahrend, im Augenblick der drohenden Überschreitung die Gaszufuhr vermindert habe. Es sei nicht der Sinn des Gesetzes, und deshalb die
Auffassung des Richters eine irrige, wenn stipuliert werden soll, daß auch nicht ein Bruchteil einer Sekunde etwa 26 km gefahren werden dürfte. Es gäbe ja auch Wagen ohne
Tachometer, deren Führer sich doch nur nach dem Wortlaut des Gesetzes richten könnten, daß die Durchschnittsgeschwindigkeit nicht größer sein dürfe als 25 km für eine Stunde. |

Außerdem stehe das gar nicht zur Anklage, sondern lediglich die Behauptung, daß die fragliche 400m
Strecke in 36 Sek. durchlaufen sei. Betrachte man sich aber diese Strecke und stelle sich da auf, wo der Gendarm H. gestanden haben will, nämlich am Gasthaus
Hönow, so könne man zu seiner Überraschung die Beobachtung machen, daß das Forsthaus überhaupt nicht zu sehen sei, und daß ein Durchblick in die
Chaussee hinein wegen der überhängenden Baumwipfel auf höchstens 250 m zulässig sei. Wenn sich dies Resultat schon Anfang Oktober ergäbe, so würde es im Juli bei weit dichterer Belaubung für den Angeklagten noch viel günstiger gewesen sein. Es sei eine physische Unmöglichkeit, am Gasthaus Hönow stehend, mit der Stoppuhr denjenigen Moment bezeichnen zu wollen, in welchem ein Auto das unsichtbare Forsthaus passiere. Das Amtsgericht Spandau habe am 12. September festgestellt, daß ein einzelner Beamter nicht imstande sei, eine 139
m Strecke zu beobachten, hier aber konzediere das Gericht ohne weiteres fast ein halbes
Kilometer. Der beantragte Lokaltermin wurde außerdem abgelehnt.
Wir sehen aus diesem Urteil wiederum zur Evidenz die ablehnende Haltung des Amtsgerichts
Potsdam, das auch hier aus haltlosen Gründen zur Verurteilung kam.
Es wurde Berufung eingelegt. |