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BRD 1970 |
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Funkstopp Primitiv-Verfahren zur Geschwindigkeitsmessung
Der Nächste bitte
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Geschickt verborgen im Bakenkeil am Anfang einer Baustelle, in deren Bereich die
Geschwindigkeit auf 60 km/h begrenzt war, lauerte ein heller VW-Käfer. Nur die
Funkantenne auf dem Dach und der laufende Motor, für die Stromversorgung der
Funksprechanlage unentbehrlich, hätten Ahnungslosen seine wahre Identität verraten
können, aber das Gewirr der weiß-roten Abschrankungen entzog ihn jedem Blick. Ein
Beamter saß im Auto, eine Liste auf dem Beifahrersitz, den Telephonhörer in der Hand.
Und wenn sich nun von vorne ein Fahrzeug näherte, dessen Geschwindigkeit höher als die
gestatteten 60 km/h zu sein schien, dann rief der Polizist schnell Achtung" in
seine Sprechmuschel. Sobald das scheinbar zu schnelle Fahrzeug eine gedachte Peillinie
zwischen Polizeiwagen und einer auf der gegenüberliegenden Straßenseite angebrachten
Markierung passierte, leitete ein markantes ,,Stop" den eigentlichen Meßvorgang ein.
Die kurze Charaktenstik des zu messenden Autos beschloß den Dienstakt: Roter VW aus
Oberhausen" oder Heller Mercedes, Karlsruher Kennzechen". Dann lehnte sich der
Beamte zurück und widmete sich seiner Liste, in der andere Verkehrssünder vermerkt
wurden, zwecks späterer Bestrafung.
300 Meter entfernt vom Kollegen in der Ansprechstelle zwischen den Baken hatten zwei
andere Beamte in einem Streifenwagen am rechten Fahrbahnrand nach Ertönen des Wortes
,,Achtung" ihre selbstverstandlich geeichten - Stoppuhren klariert und bei
Stop" gedrückt. Entsprach das herankommende Auto der Beschreibung des ersten
Beobachters, dann ging ein ,,Erkannt" militärisch knapp zurück zur Ansprechstelle
Die Polizeiuhren tickten gleichmäßig, als sich der erwartete Wagen dem Fotobereich
näherte. Dort angekommen, widmete sich ein Ordnungshüter dem Auslöser der fest
installierten Kamera, drehte sich aber sofort wieder zurück, um zusammen mit seinem
Kollegen just in dem Moment die Stoppuhren abzudrücken, in dem der bereits fotografierte
Wagen eine ebenfalls gedachte Linie zwischen dem Polizeiwagen und einer ihm
gegenüberliegenden Markierung passierte. Die erstoppten Werte - die nach Aussage der
Polizei während eines langen Zeitraums bei beiden Beamten höchstens um 1/10 Sekunde
differierten - wurden in Listen eingetragen, dazu die Uhrzeit und das Kennzeichen des
gestoppten Wagens. Falls ein Sünder nicht belichtet werden konnte - auch Polizeikameras
klemmen bisweilen -, wurden besondere Bemerkungen notiert: einzelne Dame im Fond, Mann mit
Hut im Opel oder auch Gammler im VW.
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Das hier praktizierte Verfahren heißt Funkstopp. Es bietet sieh besondere dort an, wo
starker Verkehr, am Straßenrand installierte Stahlplanken oder ungenügende
Versteckmöglichkeiten den Aufbau größerer technischer Anlagen nicht gestatten. Der
Meßvorgang ist im Prinzip immer gleich: Mittels einer Stoppuhr wird die Zelt
festgehalten, in der ein Fahrzeug eine exakt vermessene Strecke durchfährt. Anhand der
Weg/Zeit-Berechnung läßt sich die eingehaltene Geschwindigkeit sofort feststellen. Je
nach den gegebenen Örtlichkeiten muß diese Jagdmethode allerdings variiert werden. Auf
einer Baustelle in Süddeutschland war die Ausbeute der Tempojäger beachtlich. Sie
brachten innerhalb einer Stunde an einem Werktag, vormittags zwischen halb neun und halb
zehn Uhr, dreißig Autofahrer zur Strecke, darunter eine Dame, die in der auf 50 km/h
begrenzten Baustelle mühelos eine Geschwindigkeit von über 130 km/h erreicht hatte.
Nicht notiert wurden übrigens die Schnellfahrer, die während eines laufenden
Meßvorgangs durchbrachen, und auch jene, die bei Erkennen des grünen Polizeiwagens
instinktiv voll in die Bremsen traten. Auch starker Gegenverkehr, der die Sicht auf den
Markierungspunkt versperrte, eine nicht geladene Kamera und plötzlich verlangsamende
Autos unterbrachen die Aktivität der beiden uniformierten Stopper zeitweise.
Obwohl sich die Polizisten ehrlich bemühten, die Messungen so genau wie möglich
durchzuführen, geben einige Punkte Anlaß zu Kritik:
- Bei der Ansprechstelle war nicht eindeutig feststellbar, wann der Beamte dort den
Stoppvorgang exakt auslöste. Sein Kommando erfolgte unsystematisch: Manchmal bei
Passieren der Vorderradar des zu stoppenden Wagens, bisweilen auch in Hohe dessen hinterer
Stoßstange.
- Es fehlte ebenfalls eine genau festgelegte Peillinie zwischen dem Auto und der
gegenüberliegenden Markierung, da der Beamte seine Sitzposition im Auto gelegentlich
veranderte.
- Bei der Stoppstelle konnten die oben angeführten Fehlerquellen ebenfalls konstatiert
werden. Auch Polizisten sind eben nur Menschen.
Die Autofahrer müssen sich allerdings diese unexakten Meßmethaden, die auch von
vielen Gerichten anerkannt werden, gefallen lassen - obwohl sich auf einer Meßstrecke von
nur 300 Metern bei einem so gehandhabten Verfahren mehr Fehler einschleichen können, als
durch die von jeder Messung abgezogenen drei km/h zugunsten des Angezeigten kompensiert
werden. Die Polizeibehörden haben allen Grund, sich Gedanken über derlei Kontrollen zu
machen - der Internationale Leichtethletik-Verband jedenfalls tat es bereits: Er lehnte
die Handstopperei ab zugunsten elektronischer Maßverfahren.
Bild: Der Fototeil wird auf die herankommenden Autos eingepeilt (oben
links). Sein Innenleben ist gespickt mit Technik (oben rechts). Mit der
Robot Record-Kamera (2 Objektive, 2 Verschlüsse, elektrische Auslösung)
werden sowohl die Temposünder erfaßt, als auch die Tageszeit, das Datum
und der auf der Uhr notierte Tatort (Mitte links). Wenn es zu einer Anzeige
kommt, dann erhält der Betroffene neben dem Bußgeldbescheid auch ein
Tatfoto (mitte rechts)
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INFOBOX |
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Autor:
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Quelle:
Auto, Motor und Sport 1970 |
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Bildquelle:
Auto, Motor und Sport 1970 |
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Erstellt:
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